GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

Von: Johannes Bortlisz-Dickhoff

Ein Bericht von einer theaterreifen Aufführung des Kreistags.

 

Bergheim, 14. Oktober 2011. Es hätte alles so nett sein können in der gestrigen Sitzung des Kreistags. Alle waren guter Dinge, der goldene Herbst zeigte sich von seiner sonnigen Seite, Landrat Stump von der CDU beglückwünschte den SPD-Fraktionsvorsitzenden Hans Krings zu seinem 69sten. Die angesagten Konfliktpunkte wie das Gutachten zur Zukunft der Kreisverkehrsgesellschaft sollten vertagt werden. Alle stellten sich auf eine angenehme und nicht so lange Sitzung ein. 

Die Sitzung begann dann auch fast langweilig, weil einstimmig. Ausschüsse wurden umbesetzt, der Radweg entlang der K 38 im (Fast-)Niemandsland zwischen Elsdorf und Bedburg wurde einstimmig beschlossen. Der Alleenradweg auf der ehemaligen Bahntrasse zwischen Bedburg und Elsdorf, teilfinanziert aus dem entsprechenden Landesprogramm zur Umwidmung von ehemaligen Bahntrassen zu Radwegen, ging bei Enthaltung der GRÜNEN Fraktion einstimmig über die Bühne. Die GRÜNE Enthaltung ist unterschiedlichen Positionierungen der betroffenen Ratsfraktionen geschuldet. Bergheimer und Bedburger GRÜNE verweisen darauf, dass es für die Verbindung von Kierdorf nach Angelsdorf bereits einen Radweg gebe. Die Elsdorfer möchten aber – auch im Hinblick auf eine mögliche spätere Reaktivierung der Bahn – die Trasse erhalten wissen und sind deswegen für diesen Radweg. Alle anderen sind da pragmatischer, sie wollen am Bahndamm entlang eine Straße und hätten dann schon mal den separierten Radweg fertig. 

Ein wenig lebhafter wurde es dann bei der Weiterentwicklung des SPNV. Einstimmig wurden die Planungen für die S 12 (Köln – Königsdorf – Horrem – Bergheim – Bedburg (und möglicherweise – Grevenbroich – Düsseldorf), die S 6 (Köln – Pulheim – Grevenbroich – Mönchengladbach) sowie die S 15 (sehr langfristig, später als 2030) Köln – Hürth – Erftstadt – Euskirchen – …) unterstützt. Dies ist auf grüner Seite nicht selbstverständlich, denn die S-Bahn nach Bergheim erfordert zwischen Königsdorf und Horrem ein sogenanntes Überwerfungsbauwerk, also eine Brücke für die S-Bahn, damit diese kreuzungsfrei aus der südlichen Lage nördlich nach Bergheim geführt werden kann. So ein Bauwerk ist teuer. Zur S-Bahn, so die Einschätzung nach intensiveren Diskussionen, gibt es aber dauerhaft keine Alternative, denn die Regionalbahn dürfte auf der Hauptbahn zwischen Köln und Düren nicht zu halten sein, weil dort die internationalen Schnellzüge (ICE und Thalys) und ein durch die EU vorgegebener europäischer Hauptgüterbahnkorridor immer mehr Kapazitäten binden werden. Ein weiterer Punkt des CDU/FDP-Antrags wurde dann mit deren Stimmen gegen SPD und GRÜNE angenommen, nämlich für die Streckenführungen einer S-Bahn, die irgendwann über die Südbrücke zum Flughafen geführt werden soll, alternativ über die geplante Rheinbrücke in Godorf. Diese Brücke wird von den GRÜNEN vehement abgelehnt, denn sie ist Teil des drohenden dritten Schnellstraßenrings, der dann über die Bonnstraße und die K 25 zunächst von Pulheim über Frechen und Hürth bis zur Luxemburger Straße, danach als L 103 n zwischen Vochem und Fischenich zur L 150 Godorfer Zubringer geführt würde und dann weiter – über den Rhein – zum Flughafen angedacht ist. Diese Straße würde weiträumig Güterverkehre auf der Straße anziehen.

Aus GRÜNER Sicht war in dem Zusammenhang noch eine Erklärung zur Niederschrift erforderlich: Es muss für den Kurvenbahnsteig in Horrem auf einem Baubeginn noch in 2012 beharrt werden und die Eifelstrecke darf nicht erst mit der S-Bahn besser bedient werden, sondern erfordert schon heute Kapazitätsausweitungen.

Die Anpassung des Taxitarifs an die Kölner Preise erfolgte bei einer Gegenstimme, der Ausbau der K 39 und die Umstufung zur B 477 n sind aufgrund des verrückenden Tagebaus Hambach inzwischen alternativlos.

Emotionaler wurde es dann wieder bei der Einführung des Sozialtickets. Nachdem das Land für Bezieher von Transferleistungen aufgrund von SGB II und XII, Asylbewerberleistungsgesetz und Kriegsopferfürsorge die Mehraufwendungen eines subventionierten Sozialtickets übernimmt, fiel es dem Verkehrsverbund nach einigem Hin und Her am Ende relativ leicht, das Sozialticket einführen zu wollen. Die Kreise und Kreisfreien Städte müssen jedoch zuvor zustimmen. Der Kreistag im Rhein-Erft-Kreis hat sich mit einer breiten Mehrheit für die Einführung des Sozialtickets zum 1.1.2012 ausgesprochen. Allein die Linke war nicht zufrieden und verlangte, dass auf Kosten des Kreises weitere Berechtigtengruppen dazu kommen sollten, wie die Wohngeldempfänger/innen und Menschen, deren Einkommen lediglich bis zu 30 Prozent über dem Satz liegt, bei dem sie Transferleistungen erhalten würden. Ferner verlangte die Linke einen Einheitstarif für das Sozialticket von 15 Euro. Sodann sollte auch dann noch das Sozialticket weiter bezahlt werden, wenn die Landesförderung eingestellt würde. Die GRÜNE Fraktion erklärte, dass die Ausweitung der Berechtigtengruppe um die Wohngeldberechtigten richtig sei, dieses aber im Landtag geklärt werden muss. Hier könnten auch nicht die freiwilligen Kölner oder Bonner Regelungen übernommen werden. Auch der Einheitstarif ist bei den entfernungsabhängigen Staffelpreisen nicht gerecht.

Aus GRÜNER Sicht ganz besonders erfreulich ist, dass das Frauenhaus nicht nur aus Konjunkturpaket-II-Mitteln einen inzwischen fast fertigen Neubau erhält, sondern auch, dass der Finanzierungsvertrag zwischen Kreis und Frauenhaus jetzt einstimmig beschlossen werden konnte. Auch das Frauenhaus gehört zu den Projekten, die von der SPD auflistet werden, wenn sie behauptet, dass die GRÜNE Fraktion dem Kreis am teuersten kommt. 

Einstimmig waren die Vereinbarung zur Durchführung von Heilpraktikerprüfung, Änderungen bei der Fortschreibung des Demografieberichtes, der künftig zugespitztere Aussagen ermöglicht und zur Schulsozialarbeit. Endlich können an den Berufsschulen Sozialarbeiter/innen tätig werden, nachdem das Land mit rot-grüner Mehrheit ein entsprechendes Programm aufgelegt hat. CDU und FDP haben die Sozialarbeit mit dem Verweis auf die eigene Unzuständigkeit bisher immer abgelehnt.

Nachdem die GRÜNEN gegen die Herausnahme von Flächen aus dem Landschaftsschutz in Bedburg gestimmt haben, wurde die Kreistagssitzung beim Punkt „Verwendung der erstatteten LVR-Umlage“ dann zum ersten Mal richtig turbulent.

Ein Teil der Rednerinnen und Redner arbeitete sich am Für und Wider der Vorlage ab. Aufgrund eines Urteils ist dem Landschaftsverband Rheinland untersagt worden, Aufwendungen zur Bildung von Rücklagen zur Stabilisierung des Umlagesatzes einzuplanen. Daher kann der Rhein-Erft-Kreis mit der Rückzahlung von ca. 1 Mio. Euro rechnen. Bei der Frage, was mit dem Geld geschehen soll, gingen die Meinungen auseinander. SPD und Freie Wähler wollen es direkt an die Kommunen weitergeben. GRÜNE, CDU und FDP hielten dagegen und verwiesen darauf, dass die Rückführung der LVR-Umlage in den Kreishalt angemessen ist, weil der Kreisumlagesatz kommunenfreundlich zu niedrig gehalten worden war. Angenommen wurde dann gegen die Stimmen von SPD und Freien Wählern der Verwaltungsvorschlag, das Geld zur Stabilisierung des Kreishaushaltes zu verwenden, respektive zum Defizitausgleich der REVG zu verwenden, wozu es dann einen Tagesordnungspunkt später dann mit Beteiligung der SPD kam. Was wäre, wenn diese Lieblingsgesellschaft aller Bürgermeister und der rot-schwarzen ÖPNV Reformbremser hier hängen gelassen worden wäre?

So weit, so halbwegs sachlich. Doch dem war nicht so, denn der SPD-Fraktionsvorsitzende brachte es fertig, dem FDP-Fraktionsvorsitzenden vorzuhalten, er würde Unwahrheiten über den Verlauf der vorberatenden Sitzungen von Finanzausschuss und Kreisausschuss in die Welt setzten, was von diesem lautstark zurückgewiesen wurede. In Form von „Sandkastenspielen“, so eine meiner Fraktionskolleginnen, mischten sich dann verschiedene Herren in die Abteilung Schmutzdebatte ein. Dabei geht es letztendlich um die Frage, ob einer Verwaltungsvorlage zugestimmt wird, wenn sie per Beschluss zur Kenntnis genommen und kein Widerspruch formuliert wird. Die Frage geht jetzt mit Tonbandmitschnitten und geölten Stimmbändern in eine Sondersitzung des Ältestenrates.

In dem Zusammenhang muss auch die bewusste Falschbehauptung des SPD Unterbezirksvorsitzenden van den Berg zurückgewiesen werden, die GRÜNEN seien die teuerste Kreistagsfraktion. Selbstverständlich erhalten die GRÜNEN nur die Fraktionsmittel, die ihnen gemäß Fraktionsgröße zusteht. Dass GRÜNE sich erfolgreicher als die SPD für wichtige Projekte einsetzen, löst natürlich Neidreflexe aus. Der Neubau des Frauenhauses, das Energie-Kompetenz-Zentrum, der Freiflächenschutz oder Ökostrom in den Kreisliegenschaften sind doch keine grüne Spielwiesen, sondern wesentliche Bestandteile einer ökologischen und sozialen Politik. Wenn die SPD solche Projekte nun als teuer geißelt, muss gefragt werden, ob die Rhein-Erft SPD überhaupt noch für eine Reformpolitik steht.

Auch eine so turbulente Diskussion hindert noch nicht an Einvernehmen an anderen Punkten. So wurden der Bildungsgang für Erzieherinnen am Berufskolleg Bergheim, doppelqualifizierende Bildungsgänge im Nell-Breunig-Berufskolleg, die Wiedereinrichtung des Bildungsgangs Verkäufer/in im Brühler Berufskolleg einstimmig beschlossen.

Die Zukunft der REVG wird auf Antrag von CDU und SPD nunmehr dann doch im Verkehrsausschuss fortgesetzt, wo die REVG – Schutztruppen insgesamt versammelt sind.

Der GRÜNE Antrag auf Beitritt zur Allianz für die Fläche wurde einstimmig beschlossen. Der Redebeitrag von Doris Lambertz erläutert noch einmal die Zusammenhänge. (Link Beitrag Doris Lambertz).

Dem ebenfalls von den GRÜNEN eingebrachten Antrag zum Erlass einer ordnungsbehördlichen Verordnung zur Einführung einer Kastrationspflicht für Freigänger-Katzen ging es dann nicht ganz so gut. Er wurde beschlossen, dass sich der Kreis in geeigneter Weise mit den Kommunen abstimmt. Das Abstimmungsergebnis wird im Fachausschuss dann weiter beraten. Festzustellen ist aber, dass sich fast alle Diskussionsteilnehmer/innen im Sinne der Anliegen des Antrags ausgesprochen haben.

Auch bei der Einführung von Netzzugängen in den Sitzungsräumen ist die Verwaltung beauftragt worden, konzeptionelle Überlegungen unter Einbezug der diskutierten Fragen nach Datensicherheit und Gesundheitsgefährdung vorzulegen.

Berichte aus Gremien wurden zur Kenntnis genommen. Nachdem der Landrat dann mündlich auf eine Anfrage zu seiner Tätigkeit bei der Leifheit-Stiftung antwortete und die Sitzung dem nahen Ende entgegenzuschlafen drohte, wurde es dann doch noch einmal hektisch.

Die Gruppe der beiden Freien Wähler mühte sich darum, einen Resolutionsantrag als Anfrage getarnt zur Abstimmung zu bringen. Dazu muss man wissen, dass allein Fraktionen (das sind mindestens drei Kreistagsabgeordnete) das Recht haben, Tagesordnungspunkte einrichten zu lassen. Nur in eingerichteten Tagesordnungspunkten können dann Anträge eingebracht werden. Der Landrat spielte das dann nicht lange mit, und wollte den Tagesordnungspunkt geschäftsordnungskonform verlassen, als sich Guido van den Berg (SPD) ebenfalls anschickte, nur oberflächlich als Fragen kaschierte Redebeiträge zum Thema Haushaltskonsolidierung zu machen. Auch dieses wollte und konnte Landrat Stump nicht zulassen, worauf hin es gut vorbereitete Interventionen von verschiedenen Mitgliedern der SPD-Kreistagsfraktion gab, die Stump dann unberechtigter Weise undemokratisches Verhalten und die diktatorische Einschränkung von Freiheitsrechten vorwarfen.

Ach ja, was sollte eigentlich die Überschrift: „Soll die Bürgermeisterkonferenz den Kreistag nicht besser ablösen?“ Der Eindruck drängt sich auf, wenn nicht nur die Freien Wähler, sondern in immer weiteren Feldern auch die SPD so tut, als wären die Kreisentscheidungen besser bei den Kommunen als beim Umlageverband Kreis aufgehoben. So waren die Forderungen bei der Rückzahlung der LVR-Umlage, so wird in der Auseinandersetzung um die Zukunft der Kreisverkehrsgesellschaft argumentiert. Die Bürgermeister zahlen alles, also sollen sie auch alles bestimmen.

Hätte der Gesetzgeber dieses so gewollt, hätte er das auch so gemacht. Dann hätten unterhalb der Landesregierungsebene allein Kommunen eingerichtet werden müssen, die zur Kooperation der Aufgaben, die sie aufgrund der Größe nicht allein bewältigen können, in Zweckverbänden kooperieren müssen. Wenn diese dann nicht als reine Präsidialorgane – Bürgermeisterkonferenzen – funktionieren sollen, brauchen sie ein Parlament und eine Verwaltung.

Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, wir brauchen dann genau das, was heute schon Kreise und die höheren Kommunalverbände – hier im Lande also die Landschaftsverbände – sind. Mit einem Unterschied: die Kreise und Landschaftsverbände sind demokratisch verfasst, sie achten Minderheitenrechte, sie entscheiden auf der Grundlage von Wahlen. Wer auf Bürgermeisterkonferenzen setzt, setzt auf Präsidialstrukturen und nicht auf Parlamentarismus. Dies sollten sich SPD und Freie Wähler beherzigen.