GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

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GRÜNEN Kreistagsfraktion Rhein-Erft

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Damen und Herren,

wir Fraktionsvorsitzende halten heute hier im Kreistag die ersten Haushaltsreden seit über vier Jahren, seitdem die Corona Pandemie diese Tradition im Jahre 2020 unterbrochen hat.

Insofern freue ich mich, dass wir diese Tradition wiederaufnehmen – auch wenn es offenbar kein Zurück mehr zu einer doch wohl eher vermeintlichen Normalität gibt. Die globalen Rahmenbedingungen haben sich geändert. Denn da ist das Datum des 24.2.2022, des Beginns des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Und ehrlich gesagt, der Begriff der Zeitenwende ist hier richtig angebracht. Nicht, dass diese Entwicklungen wirklich plötzlich gekommen sind, nein, man hätte die Entwicklungen dahin durchaus sehen können, aber manchmal bricht die Weltgeschichte ruckartig ins Bewusstsein der Menschen und dies war durchaus schon immer so.

Bei all den Geschehnissen der Pandemie und ihren vielen Opfern und den Leiden und den Opfern, die die Ukrainerinnen und Ukrainer im Moment erdulden müssen, sollten wir uns hier vor Ort unserer nach wie vor privilegierten Situation bewusst sein. Es ist schon ein Unterschied, ob neben Dir Bomben einschlagen oder ob Du nur an der Straßenbeleuchtung sparen sollst.

Wir Politikerinnen und Politiker müssen die Herausforderungen dieser Welt als Aufgabe betrachten, die wir im Sinne des Wohls der Menschen lösen müssen. Es stellt sich für uns ja auch weiterhin die Jahrhundertaufgabe, den Klimawandel zu begrenzen und die leider jetzt unvermeidbar gewordenen Klimaveränderungen in ihren Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen und unser Hab und Gut, das unsere Existenz sichert, zu begrenzen. Letzteres hierbei zu nennen, sollte uns seit dem 14. Juli 2021 auch unmittelbar deutlich geworden sein.

So stehen für Bündnis 90/Die Grünen die Kriterien einer nachhaltigen Entwicklung für die Entscheidungen zum Kreishaushalt erst Recht in Zeiten globaler Krisenlagen ganz oben. Der Kreishaushalt muss die Nachhaltigkeit auch jetzt absichern. Dies ist unsere Pflicht gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern im Rhein-Erft-Kreis.

So komme ich zu den uns Grünen besonders wichtigen Initiativen im Kreishaushalt 23/24:

Ökologie & Umwelt

So begrüßen wir, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien noch mehr Fahrt aufnimmt. Ein Förderprogramm Photovoltaik für Privathaushalte und Unternehmen wird aufgelegt. Das Energiekompetenzzentrum wird weiter gestärkt, damit es in diesem Zusammenhang das Beratungsangebot erweitern kann. Kreiseigene Gebäude und Liegenschaften werden mit entsprechenden Anlagen ausgestattet dafür stehen Beträge für 1.8 (?) Millionen im Haushalt bereit.

Der Rhein-Erft-Kreis ist einer der waldärmsten Kreise NRWs, deshalb wollen wir uns des Themas Mikrowälder annehmen. Große Flächen für Aufforstungen zu erwerben, ist schwierig. Daher bieten Mikrowälder auf kleinen Parzellen die Möglichkeit für CO2 bindende Anpflanzungen und können auch einen wichtigen Beitrag zum Insektenschutz leisten.

Strukturwandel und Regionale Entwicklung

Mit der Schaffung des Dezernates „Regionale Entwicklung“ hat die Koalition ein deutliches Zeichen für den Gestaltungswillen im Strukturwandelprozess im Rhein-Erft-Kreis gesetzt.

Um auch weiterhin flexibel auf die überregionalen Entscheidungen und Entwicklungen reagieren zu können, werden auf Antrag der Koalitionsfraktionen für die Jahre 2023 und 2024 jeweils 50.000 EUR für einen Etatposten „Zukunft“ im Haushalt bereitgestellt. Der Strukturwandel und der damit verbundene Transformationsprozess im Rheinischen Revier ist auch weiterhin auf vielen Themengebieten eine enorme Herausforderung für unseren Rhein-Erft-Kreis. Viele wichtige Projekte und Studien wurden in den vergangenen Jahren angestoßen. Bei einigen, wie z. B. „Masterplan Digitalparks“, rechnen wir in den nächsten Wochen mit ersten Ergebnissen. Um unter diesen ganzen möglichen Projekten besser die Chancen und Risiken, auch mögliche finanzielle Belastungen für den Kreis und seine Kommunen abschätzen zu können, möchten wir der Verwaltung die Möglichkeit geben, kurzfristig Gutachten und Studien mit Bezug auf Zukunftsthemen/Trends in Auftrag geben zu können. Die Koalitionsfraktionen erhoffen sich von dieser Maßnahme, durch eine höhere Flexibilität, „Megatrends“ früher erkennen zu können.

Der Jugend gehört die Zukunft und der Transformationsprozess im Rheinischen Revier wird sich im besonderen Maße auf die Lebensperspektiven junger Menschen in unserem Kreis auswirken, deshalb müssen ihr Blick und ihre Anliegen besonderen Einfluss auf die politischen Entscheidungen haben. Auf Vorschlag der Koalition soll ein Vergabeverfahren durchgeführt werden, dass die Erarbeitung eines „Masterplan Jugendbeteiligung“ im Rahmen des Transformationsprozesses im Rhein-Erft-Kreis in den Jahren 2023 bis 2030 zum Ziel hat. Dazu werden jeweils 30.000 EUR in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 bereitgestellt. Dabei sind der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, aber auch die Fragestellungen hinsichtlich Nachhaltigkeit und Resilienz sowie die zunehmende Digitalisierung Faktoren, die insbesondere die Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation in unserem Kreis prägen werden. Gründe genug, der Jugend verstärkt die Möglichkeit einzuräumen, den bereits begonnenen Transformationsprozess aktiv mitzugestalten. 

Schule und Kultur

Auch kleine Dinge sind im Leben manchmal wichtig und hilfreich. Auf Bitte der GRÜNEN stellte die Koalition den im Ausschuss erfreulicherweise einstimmig und ohne Enthaltung beschlossenen Antrag, die Kreisverwaltung zu beauftragen, für die kostenfreie und anonyme Bereitstellung von Menstruationshygieneartikeln an den Berufskollegs in 2023 und 2024 ausreichend Mittel für die Anschaffung und entsprechende Verbrauchsmaterialien zur Verfügung zu stellen.

Zum einen soll mit jeweils 10.000 Euro in den beiden Haushaltsjahren 2023 und 2024 ein Graffiti und Street Art – Festival initiiert werden. Ein besonderes Anliegen ist der Koalition auch die Unterstützung der Veranstaltungsreihe „Jüdische Kulturwochen“. Hierfür werden 5.000 Euro im Haushalt 2024 zur Verfügung gestellt. Bereits etabliert ist die Unterstützung der Popularmusik, die in den nächsten Haushaltsjahren auf jeweils 10.000 Euro erhöht werden soll. Wir wollen damit helfen, die durch die Corona Pandemie geschwächte Musikszene wieder zu stärken.

Soziales und Gesundheit

Das Kommunalen Integrationszentrum ist nun ein fester Teil des Amtes für Integration geworden und leistet gute und wichtige Arbeit für das Zusammenleben von Menschen in unserem Kreis.

Wir möchten, dass das Kommunale Integrationszentrum in den Jahren 2023 und 2024 jeweils 30.000 Euro zusätzlich erhält, um eigene Projekte weiterzuentwickeln. So könnte damit beispielsweise die Kommunikation mit Piktogrammen, bisher für Elternbriefe für Familien mit Migrationsgeschichte eingesetzt, so weiterentwickelt werden, dass sie auch im Rahmen der Arbeit von Pflege- oder Senioreneinrichtungen eingesetzt werden. Die Haushaltsposition kann auch für die Weiterqualifizierung von Sprachmittlerinnen und -mittlern zu Behördenlotsen genutzt werden, damit Kommunikation in diesem Bereich weiter verbessert werden kann.

Mit einem weiteren Antrag soll mit dem Projekt „Fit mit Deutsch“ die Arbeit mit den Eltern der Kin-der fortgesetzt werden, die Integrationskurse im auch vom Land mit finanzierten Programm „Fit in Deutsch“ besuchen. Nach der auslaufenden Anschubfinanzierung des Landes für dieses sinnvolle Elternprogramm sollen jetzt jeweils 15.000 Euro in den Jahren 2023 und 2024 zur Verfügung gestellt werden.

Verkehr

Wir bewerten die Einführung der neuen Schnellbuslinien vor drei Jahren als wahrnehmbaren Erfolg und damit als Verbesserung des ÖPNV-Angebotes im Kreis. Mit dem sich in der Bearbeitung befindlichen Nahverkehrsplan wollen wir das Angebot weiter verbessern, deshalb entwickeln wir das Amt für ÖPNV zu einem Amt für „regionale Mobilität“ weiter und stärken die personelle Ausstattung dieses Amtes.

Einen Schwerpunkt setzen wir auf die kreisweite Umsetzung des On-Demand-Verkehrs im Öffentlichen Personennahverkehr und werden in den Haushaltsjahren 2023 und 2024 für das Projekt Mobile der REVG jeweils 100.000 Euro bereitstellen. Die REVG soll dabei einheitliche Bedienstandards, z.B. hinsichtlich der zeitlichen Rahmenbedingungen, der Fahrzeugvorhaltung oder hinsichtlich der jeweiligen Zielgebiete beachten. Die REVG hat im Laufe des Jahres 2022 im Auftrag des Rhein-Erft-Kreises und in Abstimmung mit der Stadt in Erftstadt ein On-Demand-Angebot realisiert. Die ersten Monate zeigen gegenüber dem klassischen Anruf-Sammel-Taxi eine deutliche Steigerung der Fahrgastzahlen. Die erfreuliche Nachfrage führt jedoch auch zu höheren Vorhaltekosten, die sich aber insbesondere durch ein kreisweites, mit einheitlichen Rahmenbedingungen versehenes On-Demand-Angebot reduzieren ließen. Weitere Kommunen denken über die Einführung des von der REVG angebotenen On-Demand-Angebotes nach. Um schnellstmöglich ein kreisweites Angebot zu schaffen, erscheint es sinnvoll, dass der Kreis als ÖPNV-Aufgabenträger, ähnlich wie beim Fahrradmietsystem, mit einer „Anschubfinanzierung“ den kreisweiten Systemstart unterstützt und hierfür der REVG entsprechende Mittel zur Verfügung stellt.

Zum Schluss: Höhe der Kreisumlage

In Schriftverkehren und in den Medien konnten wir in den letzten Wochen eine, ich will es einmal ein wenig euphemistisch „pointierte Diskussion“ nennen, um die Höhe der Kreisumlage verfolgen. Der Streit um die Höhe der Kreisumlage ist eigentlich so alt, wie die Kreisumlage selbst. Es ist völlig logisch, dass Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sich für eine möglichst gute finanzielle Ausstattung ihrer Städte einsetzen und streiten, ebenso ist es Aufgabe des Kreistages, dieser legt ja nun letztlich die Kreisumlage am Ende fest und nicht der Landrat, für eine auskömmliche Finanzierung der eigenen Ausgaben zu sorgen. Wenn wir nun genau hinschauen, welch geringen Anteil der Ausgaben des Kreises wir nun politisch entscheiden können, finden wir den ersten Anhaltspunkt diesen Streit zu relativieren. Bei einer Höhe des Kreishaushaltes von rund 650 Millionen Euro weist die Liste der freiwilligen Ausgaben lediglich ein Volumen von grob überschlagen 50 Millionen Euro auf. Dies sind keine 10 Prozent. Schaut man nun die wesentlichen Positionen in dieser Liste findet sich das zweite Element zur Relativierung dieses Streits. Wer will mir denn erklären, dass die dort aufgeführten Ausgaben nicht dem Wohle der Menschen in den kreisangehörigen Kommunen zugutekommen:

Energiekompetenzzentrum, Hochbegabtenzentrum und Wirtschaftsförderungsgesellschaft: mit 2,5 Millionen zusammen (wer bekommt am Ende die Gewerbesteuer?)

Offener Ganztag Förderschulen: 650.000 Euro

Internationale Förderklassen: 450.000 Euro

Zuschuss an die Verbände der freien Wohlfahrtspflege: 600.000 Euro

Strukturwandel: 14 Millionen Euro

Aufwandsabdeckung an Köln für Omnibusverkehr und KVB Linie 7: 1.6 Millionen Euro

Ich stelle fest: Da ist es vollkommen unangemessen, so zu reden, als ob den Kommunen dieses Geld geraubt und ins Ausland verbracht würde.

Dritter Punkt zur Relativierung des Streits: Viele Aufgaben werden kostengünstiger zentral ausgeführt. Alle mir bekannten Verlagerungen von Aufgaben in die Kommunen haben zu insgesamt höheren Ausgaben geführt. Stichwort Jugendamt

Durch die solide Finanzwirtschaft der Kreistagsmehrheit von CDU; Grünen und FDP sind wir ja überhaupt in der Lage, die Auswirkungen der eingangs erwähnten Krisenlagen eine Zeitlang abzufedern. Diese Rücklagen und Reserven nun mit einem Schlag rauszuhauen wäre schlicht unvernünftig. Ich bleibe auch davon überzeugt, dass es richtig war, ähnlich gearteten Vorschlägen von Teilen der Opposition in diesem Haus in den vergangenen Jahren nicht gefolgt zu sein.

Daher komme ich zum Schluss:

Der Haushalt 2023/2024 ist verantwortungsvoll nachhaltig. Die Fraktion von „Bündnis 90/Die Grünen“ sieht damit den Rhein-Erft-Kreis auf einem guten Weg und stimmt natürlich dem Doppelhaushalt 2023/2024 zu.

 

Dank

Unser großer Dank für die zum Haushaltsentwurf geleistete Arbeit gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kreisverwaltung. Insbesondere den Mitarbeiterinnen der Kämmerei. Ich möchte mich aber auch bei unserem Landrat Frank Rock, unserem Kreisdirektor Michael Vogel, der Dezernentin Marion Groß und den Dezernenten Herrn Gawrisch, Herrn Heerz, Herrn Schall und Herrn Zaar für die Erläuterungen, Diskussionen und Hinweise im Rahmen der Haushaltsberatungen bedanken.

Ich danke Ihnen!

Elmar Gillet