Bereits vor der Hochwasserkatastrophe im Juli wurde der Runde Tisch Wasser im Rhein-Erft-Kreis ins Leben gerufen. Einerseits sollen am Runden Tisch Lösungen für die Wasserknappheit der letzten Jahre erarbeitet werden, um die Folgen für Natur, Landwirtschaft und Trinkwasserversorgung zu minimieren. Andererseits soll auch ein Fokus auf Hochwasserschutz gelegt werden. Damit befasst sich der Wassertisch mit den Folgen der bereits beginnenden Klimaerwärmung.
Am 10.11.2021 befasste sich der Runde Tisch mit der Aufarbeitung der Hochwasserkatastrophe und den verheerenden Folgen, insbesondere für Erftstadt. Zur Vorbereitung hatte unsere Fraktion gemeinsam mit den Koalitionspartnern einen umfangreichen Fragenkatalog mit über 40 Fragen erarbeitet. Diese wurden in der Sitzung durch die Vorträge von Frau Bernt (Amt für technischen Umweltschutz im REK) und Dr. Christian Gattke vom Erftverband weitgehend beantwortet. Dabei stellte Dr. Gattke das Geschehen ausführlich aus wissenschaftlicher Sicht dar. Damit gibt es eine gute Grundlage zur Erarbeitung geeigneter Maßnahmen.
Regionale Temperaturaufzeichnungen seit 1948 zeigen ab ca. 1998 eine kontinuierliche Erwärmung. Mit steigender Temperatur nimmt auch die Wasseraufnahme in der Atmosphäre zu. Die Trends zum Starkregen (Häufigkeit und Wassermenge) fallen jedoch örtlich unterschiedlich aus und lassen sich nicht sicher dem Temperaturverlauf zuordnen. Im Juli 2021 handelte es sich um ein sogenanntes “10.000-jähriges“ Regenereignis. Die Wassermengen übertrafen den seit Aufzeichnung stärksten “100-jährigen“ Regen aus 2011 um das Dreifache.
Glücklicherweise hielten die Staumauern in der Eifel dennoch den Wassermassen stand, obwohl sie dafür eigentlich nicht vorgesehen sind. Der Anstieg der Pegelstände an den Flüssen konnte gut nachverfolgt werden, bis die Pegel überflutet und zum Teil zerstört wurden. Sämtliche Wassermassen aus der Eifel wurden schließlich von der Retentionsfläche Kerpener Bruch, aber auch von den Kiesgruben in Türnich und Blessem aufgenommen und von dort dem Grundwasser zugeführt. Dabei füllte sich u.a. die Kiesgrube Blessem unplanmäßig und unterspülte zuerst die Erft. Die änderte dann die Fließrichtung direkt in die Kiesgrube. Dabei führte die Erft 60 – 70 m3 Wasser je Sekunde (25.000 Badewannen pro Minute). In der Folge wurde der Ortsteil Blessem unterspült und geflutet. Andernfalls wäre der Ortsteil Gymnich besonders stark betroffen gewesen und im weiteren Erftverlauf natürlich auch Kerpener Stadtteile, ebenso Bergheim und Bedburg.
Die Schäden im gesamten Kreisgebiet sind vielseitig und nur schwer in Euro zu beziffern. Einträge von Schadstoffen, wie z.B. Blei, Zink und Nickel, wurden am Rotbach gemessen. Aufgrund der starken Verdünnung wird jedoch von keiner Gefährdung des Grundwassers oder von Altlastenbildung ausgegangen. Geringe Erd- und Heizölkontaminationen werden auf biologischem Wege abgebaut. Unser Trinkwasser wird aus tieferen Grundwasser-Schichten gewonnen. Durch den Übergang des Wassers in tiefere Schichten findet eine natürliche Aufreinigung statt. Daher ist die Trinkwasserqualität aktuell nicht gefährdet.
Beim Wiederaufbau müssen die Hochwasser-Gefahren-Karten berücksichtigt werden. In Hochrisiko-Bereichen empfiehlt sich keine Bebauung. Gleiches gilt bei Neubaugebieten im gesamten Kreisgebiet. Entscheidend ist die Ausweitung des Hochwasserschutzes. Neben Rückhaltebecken und einer Optimierung der Wasserverteilung steht vor allem die Renaturierung von Bächen und die Schaffung von Retentionsgebieten im Vordergrund. So sind z.B. in Erftstadt bereits Renaturierungs-Projekte geplant, welche seit drei Jahren auf Genehmigung durch die Bezirksregierung warten (Personalmangel!). Auch der geflutete Blessemer Sportplatz bietet sich als neue Retentionsfläche an. Wo bereits umfangreich renaturiert ist, wie z.B. am Pulheimer Bach, hielten sich die Schäden in Grenzen.
Beim technischen Hochwasserschutz stehen die Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde und insbesondere die Städte sowie die Bachverbände in der Pflicht. Aber auch Hauseigentümer*innen tragen Verantwortung für ihren eigenen Schutz. So ist dringend zu empfehlen, auf Basis der neuen Erkenntnisse aktuelle Hochwasser-Risiko-Management-Pläne für jede einzelne Kommune zu erstellen. In jedem Ort können neue Maßnahmen definiert werden, welche zugleich dem Naturschutz dienen. Denn das nächste “100-jährige“ Regenereignis kommt bestimmt!
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